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„Es führt kein Weg an einer Kreislaufwirtschaft vorbei“

Jährlich werden in der EU rund 40 Millionen Matratzen als Müll verbrannt – auch solche aus der Hotellerie. Für Philipp Hangartner vom Schweizer Unternehmen Swissfeel ein untragbarer Zustand. Er machte aus seiner Vision von einer waschbaren und nachhaltigen Matratze Wirklichkeit. Wie er das schaffte und wie weit sein Blick in die Zukunft reicht, erzählt der Vordenker in unserer Brand Story.

Philipp Hangartner Leiter Swissfeel

Visionär: Bereits 2008 träumte Swissfeel-Leiter Philipp Hangartner davon, den Matratzen-Markt durch spezielle Waschverfahren zu revolutionieren: „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kamen wir und haben es einfach gemacht.“ (Foto: Swissfeel)

Know-how aus der Luftfahrt

> Im Jahr 2008 hat Philipp Hangartner eine Vision. Er träumt von einer Innovation, die die Wegwerfmentalität bei Matratzen beenden soll. In seiner Funktion als Finanzexperte und Beteiligungsmanager in der Luftfahrtindustrie hat Hangartner bereits die Erfahrung gesammelt, wie Kohlefaserverbundstoffe als neues Material eine ganze Industrie verändern können. Als sich ihm 2008 die Möglichkeit bietet, den kurz zuvor gegründeten Kissen- und Matratzenhersteller Swissfeel zu erwerben, erahnt er das darin schlummernde Potenzial und greift zu.

Der Unternehmensleiter wendet sich an den Bettenexperten Jens Rosenbaum, der zwischenzeitlich auch als Geschäftsführer von Swissfeel Deutschland verantwortlich zeichnet. Er teilt Hangartners Wunsch, Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung im Matratzensegment zu minimieren – ein Dreamteam.

Die beiden Visionäre stellen sich ein Verfahren vor, das Matratzen nach der Nutzung wieder in den hygienischen Urzustand versetzt. „Das Absaugen oder Behandeln mit Reinigungsmitteln reicht nicht aus, es wirkt nur oberflächlich“, erklärt Rosenbaum, der neben seiner Tätigkeit als Fachjournalist als diplomierter Schlafberater tätig ist. Zudem spielt bei der Entwicklung eine Rolle, dass Matratzen grundsätzlich gewisse Kriterien erfüllen müssen. „Sie muss den Schlafenden anatomisch optimal unterstützen, atmungsaktiv und für Mensch und Umwelt unbedenklich sein“, so der Verfasser einer Studie zur Hotelbett-Hygiene.

„Neues kann nur entstehen, wenn ausprobiert wird, was alles möglich ist.“

Mineralschaum, der mit einem Badeschwamm vergleichbar ist

Auf ihrer Innovations-Reise experimentieren die Experten mit dem offenporigen und thermoelastischen Mineralschaum, der die Basis aller Swissfeel-Produkte bildet. Und erkennen: Dieser eignet sich perfekt, um Matratzen eine neue Produkteigenschaft zu geben – denn das Material lässt sich waschen. Die Idee der „Matratzenwaschanlage“ ist geboren. Rosenbaum: „Im Grunde ist Mineralschaum mit einem Badeschwamm vergleichbar. Er kann sich mit Wasser vollsaugen, das er beim Zusammendrücken wieder abgibt.“ Daher entwickelt das Team ein mechanisch-thermisches Waschverfahren, das die Matratzen mit Hilfe von Wasser und Reinigungsmitteln von Verschmutzungen befreit und die Produkte in ihren hygienischen Ausgangszustand versetzt. Heute sagt Philipp Hangartner: „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kamen wir und haben es einfach gemacht.“

elevatr: „Dann kamen wir und haben es einfach gemacht“ – ein Satz, der beispielhaft für die Unternehmenskultur bei Swissfeel stehen kann?

Philipp Hangartner: Ganz bestimmt. Denn Neues kann nur entstehen, wenn ausprobiert wird, was alles möglich ist. Daher gilt es, Denkbarrieren zu überwinden.

#facingforward: Woher haben Sie den Mut genommen, trotz Gegenwind immer weiter an Ihre Vision zu glauben?

Weil es nur logisch ist, dass der Markt für waschbare Matratzen kommt. Neben der Nachhaltigkeit gibt es den Aspekt der Hygiene, die durch das Waschen erzielt wird. Wenn wir weit zurückschauen, werden wir feststellen, dass die Menschen im Laufe der Zeit ihre Hygieneerwartung immer am Stand des Möglichen festgemacht haben und dabei nie einen Schritt zurückgegangen sind. Früher tauschte man beispielsweise nur den Kragen am Hemd und trug alles andere über Tage und Wochen. Das wäre heute nicht mehr vereinbar mit unserem Hygieneempfinden. Auch das Bett hat diese Entwicklung durchgemacht. Alles im Bett wird heute regelmäßig gewaschen oder gereinigt – nur nicht die Matratze, weil das bisher nicht möglich war. Da dies nun möglich ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine nicht gewaschene Matratze als unhygienisch empfunden wird. Mit dieser Entwicklung der Einstellung zu Gesundheit und Hygiene, geht auch die Einstellung zur Nachhaltigkeit einher – dem Schutz von Umwelt und Natur.

Swissfeel ist seit 2008 am Markt und hat mittlerweile Niederlassungen in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Was treibt Sie an, beim Thema Nachhaltigkeit als Unternehmen so viel Verantwortung zu übernehmen?

Wir haben die Möglichkeit, dem Markt Alternativen zu bieten, um den Verbrennungswahn wertvoller Rohstoffe zu stoppen und gleichzeitig die Hygiene im Bett zu verbessern.

Microchipping Mattresses

> Um die Kunden über den Zustand der jeweiligen Matratze zu informieren, lässt Swissfeel die Produkte mit Hilfe von integrierten Mikrochips für sich selbst sprechen. Die Historie jeder Matratze können Hoteliers anhand eines eingearbeiteten RFID-Chips mit dem Smartphone auslesen. Inklusive Infos über Herstellungsdatum, Hygienestatus, Zimmerzuordnung. Weiteres Gimmick: Auch über ihre Ergonomie, über gesunden Schlaf und Nachhaltigkeit informieren die gechipten Matratzen. 

Matratzenwaschanlagen, RFID-Chips als Informationsgeber ... Welche Aha-Momente hat der Entwicklungs-Prozess dieser Produkte mit sich gebracht?

Philipp Hangartner: Die Aha-Momente kamen, als wir lineares Denken verlassen und mehr in ganzheitlichen Prozessen gedacht haben. Wir sind nicht bloß Hersteller von Matratzen und Kissen, sondern erfüllen für unsere Kunden das ganzheitliche Bedürfnis nach gesundem Schlaf. Wir schulen zum Thema Schlaf, sorgen im Laufe des Produktlebens für die Reinigung und Pflege unserer Matratzen, aber auch für eine Hygienedokumentation sowie ein Monitoring und übernehmen am Ende das Recycling. Wir müssen die gesamte Prozesskette bedienen können, um eine ganzheitliche Lösung zu schaffen.

Von der Matratze zum Sitzpolster

> Denn müssen die Matratzen am Ende eines Lebenszyklus – der normal nach fünf Jahren erreicht ist, durch das Waschen aber auf bis zu 15 bis 20 Jahre verlängert werden kann ­– entsorgt werden, werden sie nicht wie andere Produkte verbrannt. Swissfeel nimmt die Matratzen kostenfrei zurück und führt sie dem Recyclingkreislauf zu. Aus dem Material entstehen beispielsweise Sitzpolster oder Wärmedämmungen.  

Welche Ansätze haben sich darüber hinaus in punkto Nachhaltigkeit als zukunftsträchtig erwiesen?

Philipp Hangartner: Aus der Rücknahme gebrauchter Matratzen ergeben sich positive Nebeneffekte. Rohstoffe, in welcher Form auch immer, werden immer gefragter. Potenzial haben vor allem unkonventionelle Verwendungsformen. Zum Beispiel beim Rooftop-Gardening können alte Matratzen kleine Wunder vollbringen. Da sich nicht jedes Dach als Träger für schweren Mutterboden eignet, können Saatgut, Nährstoffe und Wasser auf Matratzen aufgebracht werden und schon blüht es kontrolliert. Gemeinsam mit Industriepartnern arbeiten wir zudem aktuell an einem Verfahren, das es ermöglichen soll, den Mineralschaum so aufzulösen, dass daraus wieder neue Matratzen hergestellt werden können. Nur so können wir für einen echten Rohstoffkreislauf im Sinne von Cradle to cradle sorgen.

The future of circular economy: Quo vadis?

Da alle Rohstoffe immer knapper werden, führt kein Weg an einer Kreislaufwirtschaft vorbei. Es ist auch viel günstiger, die Rohstoffe zirkulieren zu lassen, statt diese ständig neu gewinnen zu müssen. Auch das Thema Versorgungssicherheit spielt zunehmend eine Rolle. Wir sehen, wie bereits mit Papier, Textilien, Aluminium und Glas verfahren wird und hier mit den Jahren der Recyclinganteil in der Neuproduktion immer höher und die Abhängigkeit von Importen geringer geworden ist. Das wird auf immer mehr Grundstoffe übergehen, bis wir hoffentlich der Erde irgendwann keine neuen Rohstoffe mehr entreißen müssen.

Welche Learnings können Sie anderen Betrieben mitgeben, die sich „noch nicht so trauen“, wie Swissfeel?

Sich trauen, barrierefrei zu denken und seine Leistungsmöglichkeiten im Kontext der Prozesse aus Nutzersicht zu sehen. Viele reizen ihr Potenzial nicht aus, ganz zu schweigen davon, dass vielen ihr Potenzial gar nicht klar ist.

Stronger together

> Das eigene Potenzial schöpft Swissfeel auch in Kooperation mit anderen Unternehmen aus. Das Team arbeitet etwa mit Textildienstleistern zusammen, welche die „Waschanlagen“ betreiben. Wege werden dadurch gespart, das Matratzen mit denselben LKW gebracht und wieder abgeholt werden können, mit denen auch die restliche Hotelwäsche unterwegs ist. Um die technische Entwicklung weiter voranzutreiben, betreibt Swissfeel zudem eigene Waschanlagen und hat dafür einen Ingenieur eingestellt.

Wie kann die Hotellerie künftig von Ihren Partnerschaften profitieren? Welche Synergieeffekte liegen noch versteckt?

Philipp Hangartner: Wir sehen eine natürliche Partnerschaft bei den Textildienstleistern. Diese arbeiten schon am Bett und könnten nun im Rahmen einer vertikalen Integration in ihrer Funktion als Dienstleister auch die Matratze bedienen. Analog zur Hotel-Mietwäsche sehen wir auch die Hotelmatratze als Objekt, woran das Hotel nicht zwingend Eigentum erwerben muss. Denn das bedeutet Kapitalbindung und schlechte Planbarkeit. Warum die Matratze nicht leasen, so wie die Wäsche oder das Handtuch? So lassen sich liquide Mittel sparen, Kosten besser kalkulieren und Leistungen absichern.

Nachhaltigkeit versus Wirtschaftlichkeit: Welche Rolle wird die Vereinbarkeit von beidem in Zukunft spielen – besonders in der Hospitality?

Als Wirtschaftsbetrieb wird ein Hotel die Wirtschaftlichkeit immer an erste Stelle setzen müssen. Daher ist es wichtig, bei diesen Parametern ausgewogen zu bleiben, statt dogmatisch zu werden. Auch hier gilt es auf Zeit, Entwicklung und Erkenntnis zu setzen – auch wenn uns in Sachen Klimaschutz die Zeit wegläuft. Aber die Hospitality wird und will sich dem Thema nicht verschließen. Daher gibt es die Initiative des Hotelverbands Deutschland (IHA) mit Swissfeel: Wir möchten in einem gemeinsamen Arbeitskreis zur nachhaltigen Hotel-Matratze Lösungen erarbeiten, die wirtschaftlichen und echten nachhaltigen Erwartungen gerecht werden und gleichzeitig umweltpolitischen Vorgaben entsprechen, ohne die Hospitality unnötig zu belasten.

Wie werden sich Schlafkomfort und Schlafhygiene generell weiterentwickeln?

Schlafhygiene umfasst mehr als nur das Thema Sauberkeit. In der Wissenschaft sprechen wir vom Umgang mit dem Schlaf. Zusammengefasst: Hygiene wird sich immer weiterentwickeln – und nie zurück. Der Mensch hat in unserer westlichen Welt einen Punkt erreicht, wo er dauerhaft im roten Bereich dreht. Ruhe, Erholung, Regeneration, Abschalten – das sind die neuen Werte, auf die es ankommt. Social-Media-Detox und Digital Downsizing sind Ausdruck dafür, dass wir diesbezüglich an die Grenzen der Belastbarkeit gekommen sind. Schlafen hingegen bleibt eine analoge Konstante in unserem Leben. Und dazu brauchen wir nunmal ein Bett mit Matratze. Aktuell wächst die Erkenntnis in der Öffentlichkeit, dass wir uns für Schlaf wieder mehr Zeit nehmen müssen, den Details mehr Beachtung schenken müssen und ein Invest in guten, sauberen und gesunden Schlaf als Investition in unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit verstehen sollten. Ebenso wächst die Erkenntnis, dass wir uns bei der Befriedigung unserer Bedürfnisse auf solche Produkte konzentrieren müssen, die keine Belastung für die Umwelt darstellen, sondern die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllen. Wegwerfprodukte werden auch hier bald der Vergangenheit angehören.

* In unseren Brand Stories sprechen wir mit Gestalter:innen und Vordenker:innen aus der Hospitality Industrie über unternehmerische Visionen, Produktinnovationen und zukunftweisende Entwicklungen. Die Artikel kommen nicht von den Unternehmen, sondern werden nach redaktionellen Ansprüchen konzipiert und umgesetzt.

 

Die Swissfeel-Philosophie im Video