Finding Solutions – together!
Neben all den aktuellen Marktherausforderungen wie der Rückzahlung von Förderungen und Stundungen, der Inflation und steigenden Energiekosten, wächst der Druck, das Thema ESG (Environment, Social, Governance) auch in der Hotellerie weiter zu fokussieren und Lösungsansätze zu finden. Eine Energiewende und entsprechende Investitionen in die kritische Infrastruktur sind unausweichlich: Denn auch wenn die aktuelle Energiekrise überwunden wäre – die Anforderungen in diesem Bereich werden eher noch weiter steigen. Dabei gilt: Es stehen nicht nur die Hotelbetreiber in der Verantwortung, sondern auch Gäste, Entwickler, Eigentümer, Investoren sowie Asset Manager. Nur gemeinsam bringen die Player dieses Thema erfolgreich voran!
The Importance of Factor E
Insbesondere beim Thema Klima und Umweltschutz (ESG-Factor „E“) sind nicht nur Betreiber, sondern auch Eigentümer gefragt, ihre Immobilien entsprechend ressourcenschonend auszurichten. Die zum Jahreswechsel 2021/2022 in Kraft getretene EU-Taxonomie – die einen Rahmen beschreibt, um nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der EU zu klassifizieren – wird das allgemeine Marktverhalten aller Akteure verändern. Im Fokus steht hier beim Thema Hotelimmobilien die Reduzierung des CO2-Ausstoßes beim Bau und während des Betriebs einer Immobilie.
Zwar sind aktuell seitens der EU keine Strafmaßnahmen geplant. Allerdings werden Immobilien, die nicht ESG-kompatibel sind, künftig aller Voraussicht nach schlechtere Bewertungen und Preisabschläge einbringen. Hoteleigentümer sind daher letztlich gezwungen, die neuen Auflagen zu einem Value Add zu verwerten, um dem Wertverlust der Objekte entgegenzuwirken.
Es werden künftig Unternehmen für Kapitalinvestitionen ausgewählt, die diese Kriterien in ihrem jeweiligen Sektor am besten erfüllen – ein Verfahren, das auch als „Best in Class“ bewertet wird. Das bedeutet, dass bei der Entscheidung für oder gegen eine Company künftig auch auf die Erfüllung entsprechender Kriterien geachtet wird. Anleger werden ihren Wunsch, in nachhaltige Fonds, Unternehmen oder Immobilien zu investieren, noch stärker zum Ausdruck bringen.
Building Future: Neubau vs Bestand
Ein Umdenken in der nachhaltigen Gestaltung von Immobilien ist selbstverständlich für Neubauten wie Bestandshäuser gleichermaßen relevant. Dabei hat es der Neubau leichter; der Bestand ist herausfordernder und oft kostspieliger.
Zuallererst muss hier künftig die neue Kostensituation in die Businesspläne von Eigentümern und Betreibern einkalkuliert werden. Es gilt, dass Investitionen hier langfristig beurteilt werden müssen und diese in Zukunft eine Kostenreduzierung etwa durch Minimieren des Energie- und Wasserverbrauchs erlangen sollten. Die Frage ist: Wer übernimmt hier erstmalig diese Kosten? Und wer hat langfristig den größeren Vorteil? Beide Seiten sicherlich – aber wer welchen Anteil hat, das steht noch zur Diskussion.
#energy: Working with new Standards
Besonders bezüglich der Energiewende brauchen bauliche Veränderungen einen Konsens von Eigentümer und Betreiber. Sie verlangen ein generelles Verständnis für den Lebenszyklus – und setzen auch die digitalisierte Erhebung und Erfassung der Betriebsdaten einer Immobilie voraus. Nur auf Grundlage verlässlicher und qualitativ gesicherter Daten können Investitionen für einen energetischen Umbau mit den Ersparnissen des günstigeren Betriebs gegeneinander gerechnet werden. Die (auch langfristigen) Umweltauswirkungen des Betriebs sollten klar benannt und taxiert werden. Das gilt auch für die Kosten der CO2-Steuer, die nach aktuellem Stand des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu gleichen Teilen getragen werden sollen. Eine faire Aufteilung der Kosten beziehungsweise Ersparnisse ist natürlich in beiderseitigem Interesse.
Make it modular
Der modulare Hotelbau ist beispielsweise eine von vielen Alternativen, die einen Schritt in die ESG-Konformität macht. Diese Bauweise produziert 68 Prozent weniger CO2-Emissionen, da die Gebäude schneller und mit weniger LKW-Ladungen an Material sowie weniger Kraneinsatz gebaut werden können. Citizen M erstellt beispielsweise bereits seit Jahren modulare Immobilien, unter anderem in Amsterdam. „Smart Thinking“ nennt die Hotelkette ihren Ansatz, bei dem durch Re-Use unter anderem Kosten in der Lieferkette und die Menge des Abfalls reduziert werden konnten.
Green Leases als Teil der Lösung
Auch „Green Leases“ sind Part entsprechender Environmental-Maßnahmen. Hinter ihnen stecken Mietverträge, in denen (abhängig vom avisierten Ziel beider Parteien) anhand von Klauseln festgelegt wird, die Immobilie ressourcenschonend zu nutzen und zu betreiben – angefangen bei Vereinbarungen zum Strom- und Wasserverbrauch (Pflanzenbewässerung, Reinigung des Gebäudes, Verwendung von Leitungswasser) bis hin zur Abfallentsorgung. Wichtig ist hierbei die Datensammlung. Klar ist: Vor dem Hintergrund der steigenden Energiekosten wird vor allem dieser Bereich an Bedeutung gewinnen.
Digging deep: Collecting relevant Data
Hinzu kommt, dass nicht nur die Projektierung und der Bau, sondern vor allem der Hotelbetrieb in der ESG-Betrachtung entscheidend ist: rund 80 Prozent der Ressourcen, die in beziehungsweise durch eine Hotelimmobilie verbraucht werden, sind diesem Lebenszyklus zuzuschreiben. Daher müssen die Kosten bei der Ver- und Entsorgung von Wasser, Abfall und Energie in das Financial Reporting integriert werden, um Vergleichbarkeit zu schaffen. Denn sonst ist auch keine Bewertung möglich. Kennzahlen werden in der für Herbst 2022 angekündigten „12th Edition“ des weltweit geltenden Reporting-Standards USALI (Uniform System of Accounts for the Lodging Industry) unter dem Titel „Energy, Water, and Waste“ Eingang finden. Der CREEM Index (Carbon Risk Real Estate Monitor) ist zudem ein bereits veröffentlichter Richtwert für die ökologische Gebäudebetrachtung. Hierbei wird gemessen, wie viel Energie und CO2 ein Gebäude pro Quadratmeter im Jahr verbrauchen darf, um die Welttemperatur um nicht mehr als 1,5 bis zwei Grad zu erhöhen.
Saving #energy
Die Nutzung erneuerbarer Energien wird nicht nur durch die EU-Taxonomie forciert. Besonders seit Ende Februar 2022 wird auf Grund der aktuellen Versorgungskrise klar: der Anteil fossiler Brennstoffe muss möglichst bald stark reduziert werden.
In der Hotellerie kann das bedeutet, dass es neuer Konzepte bedarf, um Energie einzusparen. Etwa die Koordination von belegten Zimmern, sodass auf einer Etage dauerhaft das Licht ausgeschaltet sein kann oder die Sauna nach Bedarf der Kunden nur in einem gewissen Zeitraum angeschaltet zu lassen.
Eine Art Wegweiser zur Erleichterung und Beschleunigung des grünen Übergangs für Marktteilnehmer soll der „REPowerEU“-Pakt der Europäischen Union bieten. Sein Ziel ist die rasche Verringerung und das Beenden der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Vieles spricht dafür, dass dieser Plan dem Thema Energie einen ähnlichen Push verleihen könnte wie der „Green Deal“ der EU vor einigen Jahren.
Strom produzieren, Fuhrpark umrüsten
Darauf aufbauend ist die Energiewende der offensichtlichste Ansatz für Unternehmen, den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken. Pioniere können bereits profitieren und liefern Best Practices: Wer Strom produziert und den Überschuss in das Netz leitet, kann ihn (aktuell durchaus zu höheren Preisen) verkaufen, dadurch Mehrkosten absorbieren und Amortisationszeiten verkürzen. Allerdings gilt es hierbei vorab aktuell noch oft einige (steuer-)rechtliche Hürden zu überwinden.
Eine weitere Option: Den Fuhrpark auf voll elektrisch umzustellen und E-Ladesäulen zu installieren, deren Kosten zu einem großen Teil durch Fördergelder getragen werden. Auch die Sanierung der Gebäudehülle, der Einsatz von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und die Optimierung von Kälteanlagen können Sinn machen.
Facing Factor S
Neben dem Thema Energie zählen künftig verstärkt die Bereiche soziale Verantwortung und Governance. Beim Thema Social fallen Stichworte wie soziale Verantwortung, Existenzsicherung durch gerechte Arbeit, Chancengleichheit und Partizipation. Insbesondere durch den Mangel an Mitarbeitenden setzt eine Spirale ein, die die Löhne in die Höhe treibt. Hier wird sich in Zukunft einiges tun. Viele Hoteliers stellen sich bereits darauf ein, etwa in Hinblick auf Arbeitszeiten (Einführung der Vier-Tage-Woche, familiengerechte Zeiten), und bei der Auswahl der Mitarbeitenden nach Motivation statt nur nach Qualifikation. In den Bewertungskriterien werden zudem Elemente wie die Anbindung an den ÖPNV oder die Ausstattung von Pausenräumen genannt.
Factor G: Nutzen für Gesellschaft und Aktionäre
Governance beschäftigt sich mit der nachhaltigen Unternehmensführung und betrifft Kontroll- und Steuerungsprozesse, Reputationsmanagement sowie Unternehmenswerte. Auch hier sind alle Beteiligten vom Finanzierer bis zum Asset Manager in der Pflicht. Werte-Management, Compliance und Transparenz sowie dass die Ansprüche von Stakeholdern beachtet werden, ist elementar. Trends und Entwicklungen gilt es zu identifizieren und daraus einen Nutzen für die Gesellschaft und Aktionäre zu erzielen. Hierzu zählt unter anderem, dass Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden und der Datenschutz im Rahmen der ESG-Kriterien bewertet wird.
>> In a nutshell
Auch wenn es eines langen Atems und vieler kleiner Schritte bedarf – die Branche, Investoren und Betreiber sollten die aktuelle Situation als Chance begreifen, unausweichliche Investitionen in puncto Energieversorgung und Sanierung von Immobilien sowie Einsparungsmaßnahmen einzuleiten, zu welchen sie wegen der aktuellen Marktsituation ohnehin gedrängt werden. Am Ende können diese Maßnahmen für Betriebe kurz-, mittel- und langfristig überlebenswichtig sein.
Ohne Daten aber keine Bewertung – somit ist schnelles Handeln gefordert. Insbesondere da der Aufbau eines Nachhaltigkeits-Reportings bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen kann. Neben der Qualität und Betriebsführung kann sich der Wert der Immobilie auch durch den Einfluss von Transparenz in Form von Zertifikaten und Ratings erhöhen, die widerum auf Basis von Messebarkeit ausgestellt werden.
Die Autorinnen vom Beratungsunternehmen für Hotels und Hotelimmobilien MRP: (v.l.) Katharina Preiss (Senior Vice President), Beatrice Sommer (Consultant) und Lea-Sophie Zwoch (Consultant). (Foto: MRP Hotels)