elevatr: Gabriele Wahl-Multerer, Sie haben das 65 Hektar große Areal Park am See 2016 nach der Rückkehr von einer Mongolei-Reise gekauft – und mittlerweile zehn teilweise denkmalgeschützte Häuser aufwändig saniert und umgebaut. Was sind Ihre größten Learnings aus dem Big Project?
Gabriele Wahl-Multerer: Nach fünf Jahren Entwicklungszeit kann ich sagen, dass es mit das prägendste Kapitel meines Lebens ist. Nicht nur ich habe den Park transformiert, auch der Park hat mich verändert. Ich kam damals von einer Mongolei-Reise zurück: Zwei Monate mit dem Auto von München nach Zentralasien mit Fokus auf die Schönheit der Natur. Etwas später haben mir Freunde von dem Grundstück am Tollensesee erzählt. Von meinem ersten Besuch an war ich fasziniert von diesem einzigartigen Landstrich.
Ich habe mich auf etwas eingelassen, ohne zu wissen, in welche Richtung es mich tragen würde und sage oft: „Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich es nicht gemacht. Und wenn ich es nicht gemacht hätte, hätte ich viel versäumt.“ Park am See ist die Zusammenfassung aller gemachten Erfahrungen, einschließlich sehr harter Momente.
Geben Sie uns einen Einblick in die Historie von Alt Rehse?
Geschichtlich hat das Dorf Alt Rehse mit seinen rund 400 Einwohnern viel erlebt. Auch während der NS-Zeit. Zu DDR-Zeiten wurde es dann als Schmuckstück wieder aufgebaut – inzwischen ist es mehrfach ausgezeichnet als Wettbewerbssieger "Unser Dorf soll schöner werden". Auffallend sind die vielen Fachwerkhäuser mit Reetdächern und die liebevollen, sehr gepflegten Vordergärten. Eine Ausstellung über die Vergangenheit von Alt Rehse ist in Kooperation mit dem Land geplant. Schön ist vor allem, dass der Park immer ein Ort der Stille und Erholung war. Zuletzt nutzte ihn die Bundeswehr für diese Zwecke. Genau dieser Hintergrund liegt mir besonders am Herzen. Und mit dieser Zielsetzung möchte ich dieses magische Areal aufwendig und ganz behutsam restaurieren.
Was ist Ihr Elevator für #facingforward?
Mein Idealismus ist für mich Antriebsfeder und Kraftquelle. Zudem ist Ausdauer ein wichtiger Motor. Wir stehen erst am Anfang und ich habe noch viele Ideen. Aber eines habe ich unter Beweis gestellt: meine Aussagen, die ich vor fünf Jahren getroffen habe, stehen heute noch. Die Freude am Prozess stärkt meine Umsetzungs-Kraft. Das braucht Zeit und steht somit im Gegensatz zu schneller Rendite.
Sie kommen ursprünglich aus der Optik-Industrie. Warum sehen Sie in der Hospitality Ihre Zukunft?
Ich war schon immer eine leidenschaftliche Gastgeberin – auch während meiner Zeit in der Industrie. Wenn es früher die Gelegenheit gegeben hätte, in die Hotellerie einzusteigen, hätte ich es gemacht. Denn in der Hotellerie landet am meisten vom Menschen beim Menschen. Dieser Effekt ist so stark für Mitarbeitende, Gäste und Betreiber, dass dadurch eine einzigartige Bindung entsteht.
Wie definieren Sie Ihre Werte in Hinblick auf Mitarbeitende und Gäste?
Wir transportieren Emotionen und damit den Wert von Beziehungen: ob es der Elektriker aus Neubrandenburg ist oder die Baufirma aus Altentreptow: Arbeit hat ein Gesicht, jeder wird für seine Leistung gewürdigt. Persönlichkeiten und Stärken in den Vordergrund zu stellen ist ein Kernelement für das Miteinander im Team. Anerkennung und Wertschätzung müssen selbstverständlich sein. Wir pflegen diese Werte intensiv, um unsere Unternehmenskultur nach innen wie nach außen authentisch zu leben. Wir können uns aufeinander verlassen, Probleme offen miteinander besprechen. Mit dieser Kultur ziehen wir automatisch Gäste an, die Luxus neu für sich definiert haben.
Wie elevaten Sie Ihre Werte künftig?
Mein Credo „mit Menschen für Menschen zu arbeiten“ gilt branchenübergreifend. Wir machen den Park am See daher künftig erweiterten Gästegruppen zugänglich. Für die Nachsaison planen wir Kooperationen mit Vereinen, um sozial benachteiligten Menschen zu Vorzugskonditionen Erholung anzubieten. Künstler sollen Alt Rehse auch für gewisse Zeiten nutzen können. Es ist eine Frage der Haltung, dass wir erst einmal geben müssen, bevor wir eine Gegenleistung erwarten können.
Thema Empathie: Wie haben Sie sich den Zugang zur örtlichen Bevölkerung erarbeitet?
Grundsätzlich wurde ich sehr positiv und hoffnungsvoll aufgenommen. Doch es war spürbar, dass die Menschen eine weitere Enttäuschung bezüglich des geschichtsträchtigen Areals befürchteten. Wir alle mussten zunächst ein Gefühl füreinander entwickeln, denn schließlich bin ich keine gebürtige Mecklenburgerin, sondern stamme aus München. Der Durchbruch war das erste wiedererrichtete Haus. Damit bekamen die Menschen das Vertrauen, dass es mir ernst ist und ich mich von meinem Vorhaben nicht abbringen lasse. Seither wächst das gegenseitige Vertrauen stetig.
#mindfulness ist Ihnen auch beim Umgang mit dem Areal wichtig ...
Ich möchte die Kraft der reinen Natur wirken lassen. Denn die Natur ist Wellness: Wasser, Weite, klare Luft, Ruhe. Die Selbsterfahrung „Ruhe“ empfinde ich als puren Luxus und tiefste Erholung. Ich möchte den Fokus auf den Wert der Natur legen und somit auch aktiv Umweltschutz betreiben. Durch Corona wurde dieses Bewusstsein verstärkt – die Menschen lernen gerade ihr natürliches Umfeld neu kennen und schätzen. Zudem wollen wir ein Ort der Begegnung sein. So sollen sich viele Gruppen einfinden: von Familienfeiern, bis hin zu Yoga-Retreats, Meditation und Qigong.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision für Park am See aus?
Meine Zukunftsvision liegt darin, lange gesund zu bleiben, um mich einbringen zu können. Meine Energie soll bei den Menschen landen, die zu uns kommen. Das wäre das Schönste für mich.
Interview: Bettina von Massenbach