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„AR wird der reale Zweig des Metaverse“

Von der digitalen Ebene als fünfte Dimension, Hotels in Decentraland und holografischen Rezeptionisten. Talking Augmented Reality mit Stefan Marx, CEO & Co-Founder von Zaubar.

Stefan Marx, CEO & Co-Founder von Zaubar.

Stefan Marx, CEO & Co-Founder von Zaubar, ist seit mehreren Jahren fester Bestandteil der Berliner Tech-Szene. Er hat an der TU Berlin Philosophy of Technology und am Hasso-Plattner-Institut Design Thinking studiert; seine Fachgebiete sind innovative Produktentwicklung, Interface Design und Game Engine Programmierung. (Foto: Zaubar)

elevatr: Stefan Marx, ihr arbeitet mit Augmented Reality. Aktuell trennt uns aber noch der Bildschirm von der virtuellen Welt. Wo stehen wir gerade?

Stefan Marx: Wir verlassen uns aktuell in der Tat noch sehr stark auf Remote-Erlebnisse, dazu kommen digital verteilte Inhalte, Streaming, Versand, Essenslieferung und Videospiele. Technologie ist dabei Fluch und Segen zugleich: Es ist möglich, im Innenraum Spaß zu haben. Das bringt aber mit sich, dass wir das Haus nicht mehr verlassen müssen. AR kann uns dabei helfen, dieses Problem zu lösen, indem wir ansprechende Inhalte und ihre vollständig digitalen Gegenstücke erstellen und diese an realen Standorten platzieren. Das Game Pokemon Go (bei dem die Spieler via Smartphone virtuelle Fantasiewesen in der realen Welt fangen, Anm. d. Red.) hat schön gezeigt, wie es möglich ist, ein digitales Erlebnis im Freien zu haben.

Also ist Augmented Reality der Faktor, der die reale Welt und das Metaverse zusammenbringen wird?

Ja, da bei AR ein digitales Bild über ein physisches Bild gelegt wird, kann sie digitale und physische Räume zusammenbringen. AR wird der soziale, reale, im Freien stattfindende Zweig des Metaverse sein, im Gegensatz zu Videospielen oder Virtual Reality, die beide entfernte, fast vollständig digitale Aktivitäten in Innenräumen sind.

„Die digitale Ebene wird die fünfte Dimension sein: Höhe, Länge, Breite, Zeit – und AR.“
Stefan Marx, CEO & Co-Founder Zaubar

Wie wird das unsere Lebensrealität verändern, beispielsweise in Hinblick auf die Wahrnehmung von Raum?

Die physischen und digitalen Grenzen verschwimmen. Sobald wir reichlich standortbasierte AR-Inhalte haben, also Stationen, an welchen die analoge Welt durch Augmented Reality erweitert wird, wird die digitale Ebene die fünfte Dimension sein: Höhe, Länge, Breite, Zeit – und AR. Für das bloße Auge unsichtbar, aber über eine AR-Brille oder ein anderes intelligentes Gerät leicht zugänglich. Stell dir vor, du befindest dich auf einem öffentlichen Platz – er ist geräumig und offen. Dann nimmst du dein Smartphone heraus und zeigst auf zufällige Orte. Du siehst virtuelle Avatare, KI-generierte Straßenkunst an Wänden, vielleicht ein AR-Feuerwerk und so weiter.

 

„Eines Tages zahlen die Leute vielleicht Tausende von Dollar, um mit Prominenten im selben Hotel in Decentraland zu übernachten.“
Stefan Marx

Welches Potenzial bietet Augmented Reality für die Hospitality?

Die angesprochene virtuelle Welt stellt einige Akteure der Hotellerie erst einmal vor Herausforderungen. Denn Gastgewerbe erfordert, dass Gäste ihre Häuser verlassen und bestimmte Orte besuchen – sei es ein Hotel oder ein Restaurant. AR kann das Angebot des Gastgewerbes in einer Weise erweitern, die Reallife-Erlebnisse ebenso attraktiv macht, wie Streaming-Dienste, Videospiele und Virtual Reality.

Wie genau soll das gehen?

Wir stellen uns vor, dass die Reisebranche digitale Zwillinge ihrer Produkte anbietet: Zimmer, Erlebnisse, Getränke, Freizeitaktivitäten und Touren. Auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick abwegig klingen mag, aber vor ein paar Jahren konnte sich auch niemand vorstellen, dass Millionen von Gamern tatsächlich Tausende von Dollar für digitale Kleidung für ihre Avatare ausgeben, die in einem Spiel ausschließlich kosmetischen Zwecken dient. Eines Tages zahlen die Leute vielleicht Tausende von Dollar, um mit Prominenten im selben Hotel in Decentraland zu übernachten. Wenn es um AR geht, erwarten wir auch, dass holografische oder virtuelle Rezeptionisten sowie Verkaufsassistenten gegenüber Robotern, Chatbots und interaktiven Wänden überzeugen, weil sie stärker verkörpert sind.

 

„Holografische oder virtuelle Rezeptionisten werden gegenüber Robotern und Chatbots überzeugen, weil sie stärker verkörpert sind.“
Stefan Marx

Ihr selbst wollt als Start-up „Zeitreisen“ möglich und das „Unsichtbare sichtbar“ machen – was bedeutet das?

Ein Beispiel ist unsere jüngste Zusammenarbeit mit dem historischen Hotel Adlon Kempinski Berlin. Wir haben mehrere AR-Stationen rund um den Pariser Platz in Berlin installiert, von denen eine ein historisches Bild ist, das über eine reale Szene gelegt wird – und das Besucher via App auf ihren Smartphones abrufen können. Diese Erfahrung unterscheidet sich radikal von der Betrachtung von Bildern auf einem 2D-Bildschirm. Mit der AR-Technologie fühlen sich die Benutzer, als wären sie in einem Filmset aus einer anderen Zeit. Ein gutes Beispiel, wenn es darum geht, Unsichtbares sichtbar zu machen, ist außerdem die Royal Suite im Adlon, die in real nicht rund um die Uhr für alle geöffnet sein kann. Indem wir dafür eine AR-Station erstellen, ermöglichen wir es den Menschen am Pariser Platz aber, über die Mauern hinaus und in das Hotel zu sehen – und so einen Blick auf diesen wunderschönen Ort werfen zu können.

Könnte es künftig auch Symbiosen von KI und AR geben?

Wir entwickeln derzeit das KI-Tool Zaubar Magic zur Erzeugung von 3D-KI-Bildern aus Spracheingaben. Ohne auf technische Details einzugehen: Man sagt die „magischen Worte“, wartet ein paar Sekunden und erhält einen eigenen AR-Inhalt, der an einem realen Ort platziert werden kann. ChatGPT könnte künftig beispielsweise die Verbindung zwischen dem Nutzer und Zaubar Magic sein. Der Nutzer könnte ein paar Worte darüber sagen, was er sehen möchte, und ChatGPT kann diese Worte nehmen und eine stärkere Eingabeaufforderung für den Bilderzeugungsalgorithmus erstellen, wodurch das Fachwissen zur Erstellung von Eingabeaufforderungen effektiv abstrahiert wird.

Letzte Frage: Was sind konkrete künftige Use Cases von AR für den Tourismus?

Am wichtigsten wird sein, dass Hotels mit Hilfe von ortsbezogener Augmented Reality eine symbiotische Beziehung mit örtlichen Reiseführern eingehen. Das Gastgewerbe kann Reiseführer oder Reiseblogger sponsern, damit diese ihren Standort in den AR-gestützten Touren vorstellen. Als aktuelle Use Cases kennt man vielleicht schon, dass potenzielle Gäste AR für „test before you buy“ nutzen, indem sie das Angebot eines Hotels visualisieren. AR-Erlebnisse können außerdem in der Lobby installiert werden, um die Gäste zu unterhalten und sie über die Einrichtungen des Hotels zu informieren. Hoteliers und Gastronomen könnten sich auch mit ihren ehemaligen prominenten Gästen brüsten, indem sie deren AR-Bilder im Raum installieren, damit die Gäste via App Fotos damit machen können. Restaurants, Bars und Hotels können potenziellen Kunden zudem die Möglichkeit geben, die Verfügbarkeit von Dienstleistungen wie von Tischen oder Zimmern vor Ort abzufragen.

Interview: Verena Usleber

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Das Berliner Start-up Zaubar wurde von Anne-Sophie Panzer und Stefan Marx gegründet mit dem Traum, Zeitreisen möglich zu machen. Via Augmented Reality platzieren sie digitale Sehenswürdigkeiten an öffentlichen Plätzen. Konkret nehmen sie dazu historische Fotos und Videos und verankern diese genau dort, wo sie einst aufgenommen wurden. „Theoretisch ist das mit jedem Content möglich“, so Stefan Marx. Aktuell arbeitet das Unternehmen schon mit großen Medienhäusern wie dem Bayerischen Rundfunk zusammen.