Wie kann Künstliche Intelligenz dazu beitragen, die Gastronomie effizienter, gastorientierter und damit profitabler zu machen? Diese Frage stellen sich die Frankfurter Gastronomen James und David Ardinast. Im Rahmen des S-O-U-P-Festivals zur Zukunft der Stadt gaben sie in ihrem Pop-up „the byte” die Antwort: Drei Abende lang kamen dort Gerichte auf den Teller, die via ChatGPT entwickelt und anschließend von den Köchen des Event-Restaurants „Stanley“ umgesetzt wurden.
Gastgeberin Ambrosia
Dabei kamen neben ChatGPT weitere künstliche Intelligenz-Technologien wie GPT-4, DALL-E 2 und Midjourney zum Einsatz, die nicht nur das Fünf-Gänge-Menü für 59 Euro und verschiedene Cocktails, sondern auch die musikalische Untermalung und die Kunst an den Wänden kreierten. Gastgeberin war eine künstlich generierte Stimme namens Ambrosia – unterstützt vom Service-Team des „Stanley“-Restaurants, das die Ardinast-Brüder seit dem vergangenen Jahr mit diversen Pop-up- und Event-Formaten bespielen.
Botschaft an die Branche
Die Botschaft, die die Brüder mit „the byte“ senden wollen, richtet sich sowohl an die Gäste, die ein erstaunlich analoges Restauranterlebnis genießen durften, als auch an die gesamte Hospitality-Branche: „Es ging uns bei 'the byte' nicht primär um das Kulinarische, auch nicht darum, die Gäste in virtuelle Welten zu entführen”, erklärt James Ardinast. „Wir wollten vielmehr zeigen, dass man KI ziemlich einfach in den gastronomischen Alltag einbauen kann, ohne dass es auffällt.”
„Ohne den Menschen ist die KI zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Ohne sinnvollen Prompt, also eine Anfrage an die KI, kommt nichts Vernünftiges heraus.”
Handkäs meets Cheesecake
Gemeinsam mit den Spezialisten der Frankfurter KI-Firma Statworx gaben die Gastronomen ChatGPT die Aufgabe, Klassiker der traditionellen Frankfurter Küche mit den vielfältigen internationalen Einflüssen, die die Stadt heute kulinarisch bereichern, zu verbinden. Das Ergebnis war ein Mix aus Lokalem wie Grüner Soße mit Panko-Ei und Handkäs-Mousse bis hin zu nicht wirklich typisch frankfurterischen Gerichten wie Currywurst – hier stieß Ambrosia beim Durchsuchen des Internets offenbar auf die Kultimbissmarke „Best Worscht in Town“. Ebenfalls auf der Karte: Spargelcremesuppe und Cheesecake, der per Apfelweingelee und Apfelschaum kurzerhand ins Hessische übersetzt wurde. Auch beim Begrüßungsdrink ging es um den Apfel: Bei ChatGPTs Vorschlag für den Frankfurt Sour trifft Calvados – wichtige Zutat im vor allem in Apfelweinkneipen beliebten Mixgetränk Mispelche – auf Zitronensaft, Zuckersirup und einen Spritzer Rotwein. „Wir waren erstaunt, wie brauchbar die Rezepte tatsächlich waren”, kommentiert James Ardinast. „Nur bei der Frage nach vegetarischen Varianten stieß die KI an ihre Grenzen – die Frankfurter Küche ist nunmal sehr fleischlastig.”
Frankfurter Eigengewächs: James Ardinast, geboren und aufgewachsen als Sohn jüdisch-polnischer Eltern in der Maincity, war bereits als Kind mit seinem Bruder David und seinem Vater – den er selbst als „Foodie“ bezeichnet – oft zum Essen im ethnisch diversen Bahnhofsviertel. Später studierte James Ardinast Hospitality Administration in Boston, bevor er 2002 zusammen mit seinem Bruder das erste Business in Frankfurt eröffnete. (Foto: Pauline Schey)
Mensch und KI kooperieren
Genau dort, wo die KI (noch) nicht weiterkommt, sieht Ardinast den Ansatzpunkt für eine Kooperation von KI und Mensch. „Ohne den Menschen ist die KI zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Ohne sinnvollen Prompt, also eine Anfrage an die KI, kommt nichts Vernünftiges heraus.” Auch nachdem die KI ihre Arbeit getan hat, ist nach wie vor analoges Denken gefragt: „Die Ergebnisse bewerten, kreativ verfeinern und umsetzen können zurzeit nur Menschen”, stellt Ardinast fest. „Ambrosia hat übrigens auch nur die Worte gesprochen, die wir ihr vorher eingegeben haben.” Für den Gastronomen stehen in Sachen KI die Chancen, nicht die Probleme im Fokus: „Herausforderungen wie der Fachkräftemangel oder die erreichte Preisgrenze zwingen unsere Branche, für mehr Effizienz redundante Arbeitsschritte der KI zu übertragen und so die menschlichen Mitarbeitenden zu entlasten. Damit wir sie dort einsetzen können, wo sie unersetzlich sind.” Wer jetzt lerne, wie ChatGPT & Co. zu nutzen sind, sei schon bald im Vorteil allen gegenüber, die ohne KI arbeiten, ist Ardinast überzeugt.
Mitten in der Transformation
Angesichts der größtenteils positiven Resonanz auf das Projekt soll es im „Stanley“ auch in Zukunft immer mal wieder heißen: Ambrosia bittet zu Tisch. „Wir arbeiten daran, die KI auch für die Gäste erlebbarer zu machen”, verrät Ardinast. „Wir wollen Ängste nehmen und zeigen, was die KI zurzeit leisten kann und wo die Grenzen sind. Denn wir müssen verstehen, dass wir uns mitten in einer Transformation befinden: Die KI ist ja längst da und wird auch nicht wieder verschwinden. Aber sofern wir ihr ethische und moralische Leitplanken setzen, ist sie kein Feind, sondern unser Freund.”
Text: Barbara Schindler
„Wir müssen redundante Arbeitsschritte der KI übertragen und so die menschlichen Mitarbeitenden entlasten. Damit können wir sie dort einsetzen, wo sie unersetzlich sind.”