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Die Zukunft der Hospitality-Ausbildung bleibt dual

Dr. Inès Blal ist Dekanin der EHL - Ecole hôtelière de Lausanne. Sie ist die erste Frau und auch die jüngste Person, die dieses Amt je innehatte. Warum sie überzeugt ist, dass die konventionelle, duale Ausbildung ein Zukunftsmodell ist und wie sie versucht, die Mission ihrer Hotelfachschule zu erfüllen, erzählt Inès Blal im Interview.

Dr. Inès Blal ist seit 2017 Dekanin der EHL - Ecole hôtelière de Lausanne. Sie hält einen Doktortitel der Virginia Tech in Strategic Management in Hospitality and Tourism. (Foto: EHL)

elevatr: Die EHL - Ecole hôtelière de Lausanne blickt auf eine über 125-jährige Historie zurück. Welche Rolle spielt die Zukunft an Ihrer Institution, Dr. Blal?

Inès Blal: Ja, das ist richtig, die EHL besteht seit 1893. Als Dekanin ist es meine Aufgabe, diese Geschichte fortzuschreiben. Um dies tun zu können, muss ich mich fortwährend mit der Zukunft beschäftigen. Insbesondere mit der Zukunft von Fähigkeiten und Kompetenzen, die Hospitality Talente in die berufliche Praxis werden mitbringen müssen. Um dies bestmöglich antizipieren zu können, nehmen wir an der EHL einerseits einen neutralen Standpunkt ein, um den Blick von außen nicht zu verlieren, andererseits arbeiten wir intensiv mit der Praxis zusammen.

Wie gelingt Ihnen diese Antizipation künftig notwendiger Fähigkeiten und Kompetenzen?

Wir haben keine eigene Abteilung oder ein Team, das sich nur und ausschließlich damit beschäftigt. Es ist mehr das Werteverständnis jeder einzelnen Person an der EHL, denn hier lieben wir Innovation, Wandel und Veränderung. Wir alle verfolgen den Ansatz eines lebenslangen Lernens, wir internationalisieren unseren Blickwinkel, nicht zuletzt durch unsere eigene internationale Expansion: Seit 2020 hat die EHL einen Campus in Singapur. Und schließlich versuchen wir, unsere Mission, konventionelle Hospitality-Ausbildungen und Unternehmensmodelle um die Werte der Zukunft zu bereichern, durch unsere eigene Forschung zu erfüllen. Wer sich nicht wohl damit fühlt, den Status quo täglich aufs Neue in Frage zu stellen, wird an unserer Hochschule auch nicht glücklich. 

„Wir alle verfolgen den Ansatz eines lebenslangen Lernens.“
Dr. Inès Blal

Stichwort Status quo in Frage stellen: Sollte auch das System der dualen Berufsausbildung in Frage gestellt werden?

Das System der dualen Ausbildung gilt international nach wie vor als ein wahres Erfolgsmodell und viele Länder beneiden den deutschsprachigen Raum dafür noch immer – hier kann ich wirklich aus Erfahrung sprechen. Und auch ich selbst bin eine große Verfechterin dieses Ausbildungssystems! Es ist äußerst pragmatisch, in höchstem Maße praxisorientiert. Doch es ist wahr: Auch in der dualen Ausbildung muss ein Ansatz des lebenslangen Lernens aufgegriffen werden. Und es ist wahr, dass wir die Innovationsfreude in Bezug auf das Lehren hinterfragen müssen. Und nicht zuletzt bedarf die Lernumgebung, egal ob in einer Hochschule, Berufsschule oder Hotelfachschule, einer zukunftsgerichteten Weiterentwicklung. Aber dennoch: Die duale Berufsausbildung ist ein Zukunftsmodell.

Und trotzdem entscheiden sich seit Jahren immer weniger junge Menschen für eine Berufsausbildung in Hotellerie und Gastronomie.

Die Hospitality Branche muss in meinen Augen grundlegend überdenken, wie sie mit Talenten umgeht. Und dabei sollte sich jeder einzelne Betrieb angesprochen fühlen. Das beginnt mit der Talentgewinnung und reicht bis zum Talentmanagement. Es ist dabei aber zu kurz gedacht, allein die „herkömmlichen“ Kritikpunkte zu adressieren, die als Hauptursachen für das negative Image unserer Branche gelten. Es geht den Nachwuchskräften nicht darum, jeden Tag pünktlich Feierabend machen zu können. Es geht ihnen auch nicht nur um eine fantastische Bezahlung. Es geht um die mittlerweile vielzitierte Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, die sie ausführen, um die Sinnhaftigkeit der Rolle, die sie in einem Unternehmen einnehmen. Wenn sie diese Sinnhaftigkeit finden, dann arbeiten sich junge Menschen auch heute noch auf, gehen wirklich bis an den Rand ihrer Belastbarkeit.

Jede einzelne Arbeitgeberin, jeder einzelne Arbeitgeber sollte sich also einer ernsthaften und ungefilterten Selbstanalyse unterziehen, um herauszufinden, was sie hinsichtlich Talentbindung wirklich tun. Welchen Mehrwert bieten meine Trainingsprogramme für die Individuen, die ich beschäftige, wirklich? Wie aufrichtig sind meine Karriere-Roadmaps wirklich gemeint? Der Aufbau eines fundierten, holistischen Personalmanagements entlang der gesamten „Employee Journey“ zahlt sich aus. Es bedarf eines langen Atems, es bedarf großer Hingabe und natürlich auch gewisser Investitionen. Der Beitrag, den wir als Bildungseinrichtungen dazu leisten können, ist, die künftigen Führungskräfte, die dies beeinflussen können, auszubilden und mit dem entsprechenden Mindset auszustatten.

„Es geht um die mittlerweile vielzitierte Sinnhaftigkeit der Tätigkeit.“
Dr. Inès Blal

Wie stellen Sie sicher, dass die Lehrenden Ihrer Hochschule dieser Anforderung gerecht werden, nicht stehenbleiben?

Auch ich als Dekanin muss mit einem attraktiven Talentmanagement aufwarten, muss potenzielle Interessierte begeistern und ihnen im Verlauf ihrer Tätigkeit an der EHL etwas bieten. Dabei kommt es bei uns ganz besonders auf ein gemeinsames Werteverständnis an. Wie vorher schon erwähnt: Wir lieben Innovation, Wandel und Veränderung. Dadurch sorgt jede Persönlichkeit selbst dafür, zukunftsgerichtet zu denken und in der Folge auch zu lehren. Dies wird gestützt und gepusht durch unsere Grundlagen- und unsere angewandte Forschung, durch Begegnungen mit der Praxis und nicht zuletzt durch ein kuratiertes lebendiges Community Management von Seiten der EHL.

Stichwort Innovation: Was hat es mit dem Innovation Village der EHL auf sich?

Das Innovation Village ist der erste Business-Inkubator für Gastgewerbekonzepte und Start-ups. Hier geben wir Studierenden, die mit dem Gedanken spielen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, von Beginn an sehr viel Raum für diesen Gedanken. Im Laufe ihres Studiums helfen wir ihnen, ihn zu festigen, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, ihr Pflichtpraktikum in ihrem Start-up zu absolvieren. Dabei werden sie von der Fakultät für Entrepreneurship und von Branchenvertretern gecoacht. Und schließlich können sie auch ihre Abschlussarbeit in und über ihr eigenes Unternehmen schreiben. 2018 haben wir dafür im historischen Weiler Quartier de l'Auberge von Chalet-à-Gobet ein innovatives Ökosystem geschaffen. Das neue Innovation Village hat zwei zentrale Aufgaben: Die Förderung des Unternehmertums und Inspiration sowie Innovation in der Hospitality Branche. Und es lohnt sich, gespannt zu bleiben, denn aktuell arbeiten wir mit Hochdruck an einer dualen Entrepreneurship-Experience.

Laura Schmidt

 

Das Innovation Village als Business-Inkubator für Start-ups in der Hospitality-Welt (oben) und der EHL - Ecole hôtelière de Lausanne-Campus in Singapur.