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elevatrPitch: Warum #vanlife ein Zukunftsthema bleibt

Von Nomadland, Workation und Eskapismus – 3 Fragen an Prof. Dr. Axel Gruner zur Zukunft des Boom-Segments Caravaning und Camping.

Prof. Dr. Axel Gruner vor Brickwall

"Das mobile Zuhause ermöglicht die (temporäre) Flucht aus dem Alltag. Vom Trend des Eskapismus kann die Tourismusbranche in Deutschland stark profitieren", so die Überzeugung von Dr. Axel Gruner, Professor für Hospitality Management an der Hochschule München und Gründer der Plattform beyondcamping.net. (Foto: Daniel Stupar)

Lobby: Herr Prof. Gruner, welche künftige Entwicklung sehen Sie für den Freizeitsektor Camping?

Die Zeiten, in denen Camping eine reine Freizeitbeschäftigung war, sind vorbei. Spätestens seit dem 2021 mit drei Oscars ausgezeichneten Roadmovie „Nomadland" ist einer breiten Öffentlichkeit das Wohnmobil oder der Van als mobile Wohnung ins Bewusstsein gerückt. Auch in Deutschland gibt es Arbeits-Nomaden, die beispielsweise als Influencer, Programmierer, Baumpfleger, Handwerker oder Studierende einen mobilen Lebensstil pflegen. Die Wortschöpfung "Workation" kennzeichnet die Verschmelzung von Urlaub und Arbeit am besten.

Zudem haben sich Campingplätze auch dank der besseren technischen Ausstattung der Fahrzeuge zu Ganzjahresdestinationen entwickelt. Einige vielleicht überraschende Fakten: Im Juni 2021 stand ich auf einem Campingplatz auf Fehmarn. Im Gespräch mit dem Campingplatzbetreiber erfuhr ich, dass 40 Prozent seiner Gäste Golfer sind und er bereits zu diesem Zeitpunkt für Weihnachten und den Jahreswechsel ausgebucht war. In Istrien kosteten die Stellplätze in der Hauptsaison 2021 auf einem Premium-Campingplatz direkt am Meer bis zu 215 Euro; neben den Hundeplätzen waren es laut der Quality Managerin die Parzellen, die als erstes gebucht wurden. In Deutschland berichteten viele Betreiber von überfüllten und weit im Voraus ausgebuchten Campingplätzen. Dieser Ansturm führte mit rund 36 Millionen Übernachtungen in 2020 zu einem Umsatz von 648 Millionen Euro für die steuerpflichtigen Campingplätze. 

Große Hersteller planen ihre Modelle nach den Bedürfnissen der unterschiedlichen Lebensstilgruppen und können aufgrund der Nachfrage erst wieder je nach Modell in eineinhalb bis zwei Jahren liefern. 

Jetzt wird es Zeit, dass die Campingplätze an der Qualitäts- und Erlebnisschraube drehen und zusätzliche Kapazitäten wie beispielsweise außergewöhnliche Stellplätze bei Hotels, Gasthöfen, Brauereien oder Winzern geschaffen werden.

Going up: Was sind die Gründe für das extreme Marktwachstum?

Wie immer bei einem überdurchschnittlichen Marktwachstum einhergehend mit neu gewonnenen Lebensstilgruppen sind die Gründe vielfältig.

Maßgeblich von Bedeutung für das Interesse jüngerer Nachfrager sind unter anderem Web-Portale, in denen über das autarke Reisen informiert und damit inspiriert wird. Influencer berichten nicht nur unter #vanlife von diesem Lebensgefühl. Manche von ihnen sind das ganze Jahr in ihrem (selbstausgebauten) Reisemobil unterwegs und teilen regelmäßig ihre Erfahrungen in Blogs, auf Instagram und Youtube, halten Vorträge und organisierten Treffen.

Zudem erhält die Urlaubsform in Zeiten, in denen das Reisen im autarken Fahrzeug mit eigenen Wohn-, Schlaf-, Koch- und Sanitärmöglichkeiten besonders sicher ist, zusätzlichen Zulauf. Davon profitiert vor allem die Tourismusbranche in Deutschland, denn viele deutsche Caravaning-Fans verreisen im eigenen Land.

Und nicht zuletzt ermöglich das mobile Zuhause die (temporäre) Flucht aus dem Alltag – auch mit dem Begriff Eskapismus betitelt.

Rooftop: Sie haben den Trend im vergangenen Jahr aufgegriffen und im Juni 2021 mit Gleichgesinnten die Plattform beyondcamping.net gegründet. Wie kam es dazu?

Ich bereise mit meinem selbst ausgebauten VW T4 Syncro seit vier Jahren Europa. Davor war ich mit geliehenen Wohnmobilen unter anderem in Kalifornien unterwegs. Im vergangenen Jahr habe ich über zwei Monate im Van gelebt. Wenn man seiner Leidenschaft folgt, arbeitet man bekanntermaßen keine Minute. Obwohl die Gründung tatsächlich ein Kraftakt war – das Thema Webökonomie kannte ich lediglich aus Büchern.      

Der inhaltliche Schwerpunkt unseres virtuellen Angebots liegt auf dem Reisen mit dem Campervan oder Wohnmobil, aber auch auf zwei Rädern oder zu Fuß mit Zelt. Unser Ziel ist es, „the social network for people on the move“ zu werden. Unsere Camping-Erfahrungen und die unserer Besucher bilden die Grundlage der Website sowie der bespielten Social Media Kanäle. In erster Linie möchten wir rund ums Camping informieren, inspirieren und auf lifestylige Art kurzfristige virtuelle Fluchten aus dem Alltag ermöglichen. 

Hoteliers bieten wir die Möglichkeit, unter „Places“ gegen eine kleine Gebühr bei uns Stellplätze anzubieten und diese über unsere Multimediakanäle zu bewerben. Aber selbstverständlich arbeiten wir auch mit der Zulieferindustrie zusammen, indem wir mit ausgewählten Produkten und Geräten im „Tasty Corner“ zumeist One-Pot-Gerichte kochen und die Filme im Web hochladen. Durch die neuen Medien sind wir 24/7 präsent und zudem noch „green“, da kein Papier bedruckt wird. Wir stehen noch am Anfang, doch die Website wird kontinuierlich weiterentwickelt und unsere Social-Media-Kompetenz wächst mit jedem Tag.