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From Localhood to Local Good

Tourismus denkt die Dinge naturgemäß aus der Warte der Reisenden. Stellt man die Zufriedenheit der Locals in den Fokus, werden auch die Gäste glücklich, sagt Signe Jungersted, CEO & Founding Partner der dänischen Group Nao. Ein Perspektivwechsel.

Signe Jungersted, CEO Group Nao

More flower to you: Signe Jungersted hat unter anderem die Strategie des florierenden Tourismusstandortes Kopenhagen mitentwickelt. Zwischenzeitlich bietet die Dänin mit ihrer eigenen Agentur Destinationskonzepte für internationale Kunden an. (Foto: Thorsten Jochim für elevatr)

elevatr: Signe Jungersted, du hast die Destination Kopenhagen mitentwickelt und leitest zwischenzeitlich die Group Nao, eine Agentur für Tourismusstrategien. Wie wählst du persönlich Ziele und Hotels aus, wenn du verreist?

Signe Jungersted: Ich versuche meine privaten Reisen mit einer Lernerfahrung zu verbinden. Das bedeutet für mich auch, länger an einem Ort zu bleiben. Ich genieße das Gefühl, Alltagsroutinen zu bekommen, sei es auch nur für eine Woche.

Warum reisen Menschen überhaupt?

Touristen reisen nicht an einen Ort, weil es dort gerade ein freies Bett gibt, sondern weil es dort ein ganzes Ökosystem für Besucher gibt. Und dieses ist wiederum mit dem gesamten Ökosystem des florierenden Ortes und dessen Community verbunden. It takes a village (dt. „Es braucht ein ganzes Dorf“, Anm. d. Red.).

Laut Umfragen suchen rund zwei Drittel der Menschen im Urlaub nach einer Verbindung zu lokalem Leben. Du sprichst in diesem Zusammenhang von „Localhood” – was bedeutet dieser Begriff?

„Localhood“ steht für die Essenz, die einen Ort zu etwas Besonderem macht und nicht nur zu etwas Beliebigem. Es sind Orte, an denen Menschen die inklusive und gemeinsame Erfahrung machen, Teil von etwas zu sein und dazu beizutragen – egal, ob sie dort leben, zu Besuch sind oder arbeiten. Die Frage ist: Wie können wir Orte kreieren, die gleichzeitig lebens- und besuchenswert sind?

Müssen wir für die Beantwortung dieser Frage Tourismus neu denken?

Wir müssen die Art und Weise, wie wir den Tourismus entwickeln und in unsere Gemeinden integrieren, neu definieren – wobei der Schwerpunkt auf dem Wachstum des Ökosystems und dem Wohlergehen der Local Community liegen sollte. Tourismus muss menschenbasiert sein. Das Wesentliche ist, dass jeder, der Teil dieser Tourismuswirtschaft ist, anerkennt, dass es sich um ein Ökosystem handelt. Und dieses sollte immer respektiert werden. Die Anschlussfrage ist also: Wie kann man positiv dazu beitragen?

»Wir wollen Orte kreieren, die gleichzeitig lebens- und besuchenswert sind.«

Welche Rolle spielt die Hotellerie in diesem Ökosystem und wie kann sie positiv mitwirken?

Hotels sind zentraler Bestandteil des Ganzen und hängen langfristig vom Wohlergehen der Menschen und des Ortes ab. Ich habe mal ein Zitat des Tourismusministers von Costa Rica gelesen, der sagte: „Man kann kein Fünfsternehotel in eine Ein-Sterne-Community stellen.“ Viele Gastgewerbebetriebe stellen sich darauf bereits ein, indem sie lokale Kultur, also zum Beispiel Design, Kunst oder Essen, in ihr Haus integrieren oder sich mit örtlichen Anbietern vernetzen und lokale Unternehmen unterstützen. Hotels schaffen zunehmend Gemeinschafts- und hybride Räume, in denen sich Besucher und Einheimische treffen und austauschen können.

Für die Locals sind ihre Orte ja schon Communitys. Wie klappt das auch für Touristen?

Durch Respekt, Neugierde und ein bisschen mehr Mühe. Es gibt viele Beispiele für Initiativen, die Besucher dazu einladen, sich einer Gemeinschaft anzunähern. Etwa die angesprochenen Restaurants oder Communityspaces, in denen Touristen zusammen mit Einheimischen zum Abendessen und zu anderen Aktivitäten eingeladen werden – ein Beispiel ist das Absalon in Kopenhagen, eine ehemalige Kirche, die jetzt als Gemeinschaftshaus genutzt wird und auch bei den Locals sehr beliebt ist. Ein anderes Beispiel ist der mietbare „Open Bookshop“ in dem winzigen schottischen Örtchen Wigtown, das nur rund 1.000 Einwohner hat, aber jedes Jahr ein großes Bücherfestival veranstaltet. Touristen können sich dort ein Zimmer mieten, zu dem der Bookshop gehört und werden selbst zu Ladenbesitzern auf Zeit – so wird die lokale Identität repräsentiert und gefeiert.

In der Vermarktung von Destinationen sind heute auch die sozialen Medien ein wichtiges Instrument. Wie kann die Hospitality diese in Zukunft positiv für sich nutzen – auch und gerade in Hinblick auf den Schutz von Natural Capital als Tourism Asset?

Der Schlüssel liegt in einem verantwortungsvollen Umgang mit ihnen – sowohl beim Potenzial als auch bei den Risiken. Mit gefällt das Beispiel Jackson Hole (ein Tal in den Rocky Mountains, Anm. d. Red.), in dem die Besucher aufgefordert werden, „verantwortungsvoll zu taggen“. Anstatt also einen schönen Ort mit einem Geotag in den sozialen Medien zu versehen und dadurch noch mehr Besucher an diesen einen bestimmten, möglicherweise versteckten Ort zu locken, teilen sie ihre Fotos und Erfahrungen ohne Tag und schützen damit den Ort. In Wien wurden Besucher vor ein paar Jahren aufgefordert, einfach die Zeit in der Stadt zu genießen. Das lief unter dem Slogan: „Enjoy Vienna. Not #Vienna. Unhashtag your vacation!“

In Wien wie in vielen anderen Städten dienen die urbanen Zentren als Touristenmagneten. Wie können Stadtplanung und lokaler Tourismus kooperieren, damit sich diese Bereiche weiterentwickeln und gleichzeitig lebenswert für Einheimische und besuchenswert für Touristen bleiben?

Wenn es um die Rolle und Zukunft des Tourismus geht, sehe ich eine wichtige Entwicklung im Bereich der Bürgerbeteiligung und Entscheidungsfindung. Einwohner können so mitentscheiden, wie der Tourismus in ihrer Heimat gestaltet werden kann, auch um das Local Life zu fördern. In Berlin wurde beispielsweise ein Bürgerbeirat für Tourismus ins Leben gerufen, der einen aktiven und kontinuierlichen Austausch zwischen Berlinern, Akteuren der Hospitalitybranche und Entscheidungsträgern der Stadt ermöglichen soll.

Gibt es politische Rahmenbedingungen die noch fehlen, damit die lokalen Communitys noch mehr vom Tourismus profitieren?

In diesem Zusammenhang sollten wir auch über die Besteuerung des Tourismus nachdenken. Insbesondere über die Frage, wie die Steuereinnahmen in die Local Communitys, in den Naturschutz, den ökologischen Wandel, den Schutz von Kultur oder die Bildung fließen könnten.

Interview (Auszug): Fabian Müller

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